Document (#23937)
- Author
- Feuck, J.
- Title
- Einfach zu faul
- Source
- Frankfurter Rundschau. Nr.133 vom 11.6.2003, S.WB6
- Year
- 2003
- Series
- Bildung: Leichte Übung
- Content
- "Menschen lieben die einfachen, schnellen Lösungen. In dieser Erkenntnis bestärken uns Psychologen der Universität Bonn. Die Forscher fanden mit Hilfe eines abstrusen Kriminalfalls, einer virtuellen Umkleidekabine im Internet und Probanden in der Rolle von Aushilfskommissaren heraus, dass wir uns eher "husch-husch" entscheiden, statt stets sorgfältig alle Informationen abzuwägen. Die Grunddaten für die Spurensicherung: ein Toter im Swimming-Pool, zehn (!) eifersüchtige Ex-Freundinnen mit völlig unterschiedlichen modischen Vorlieben sowie eine Reihe von Augenzeugen. Der Wissenschaftler Arndt Bröder und seineMitarbeiter vom Psychologischen Institut ließen sodann Versuchspersonen ran. Der Auftrag: Sucht die wahrscheinlichste Täterin! Bevor die Probanden die Beobachtungen der Zeugen kennen lernten, mussten sie sich alle Kleidungsdetails der Verdächtigen exakt einprägen. Dazu hatten die Psychologen via Internet Mannequins ausstaffiert und am Computer den passenden Hund hinzugefügt. Nur wer am Bild-, schirm fleißig büffelte und sich im Test prächtig erinnerte, durfte weiter ermitteln und die Zeugenaussagen studieren: Fünf Anwohner gaben an, zum Zeitpunkt des Mordes habe eine Frau mit Hund die Villa verlassen. Vier Zeugen wollen jemanden in Jeansjacke gesehen haben, je drei gaben ein gelbes T-Shirt und eine schwarze Lederhose als Details zu Protokoll. Dem standen Fakten entgegen. Eine Frau hatte eine Jeansjacke im Schrank, aber weder ein gelbes Shirt noch eine Lederhose. Bei einer anderen Verdächtigen passte alles zusammen - bis auf die Jacke. Die Psychologen registrierten verblüfft, dass die Versuchspersonen, in 52 Durchgängen mit der Frage konfrontiert, wer von jeweils zwei Frauen eher die Mörderin sei, sich oft für die Jeansjacken-Trägerin entschieden. Überraschend: Fakten wurden beiseite geschoben - je mehr Zeugenaussagen übereinstimmten, desto vertrauenswürdiger schien die jeweilige Beobachtung. "Take the Best-Strategie" nennen das die Bonner Forscher. Bröders Fazit: "Es ist offenbar mühsam, verschiedene Daten im Kopf miteinander zu verknüpfen. Deshalb orientieren wir uns an der Information, die am aussagekräftigsten erscheint. Und fahren mit diesen Daumenregeln meist auch ganz gut." Konnten sich die Probanden hingegen in der Entscheidungsphase nochmals alle Fakten auf den Monitor holen, kombinierten und grübelten sie mehr - obwohl sie doch alle Infos such im Kopf hatten. Was tragen die Bonner also zum wissenschaftlichen Fortschritt bei? Wir entschei-dungen offenbar nicht streng nach komplexen, rationalen Regeln, wie es etwa die Wirtschaftsforschung gerne bezüglich Markt, Angebot und Nachfrage postuliert. Anscheinend besiegt häufig die Faulheit die Vernunft."
- Theme
- Information
- Field
- Kognitionswissenschaft
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