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Walther, R.: Möglichkeiten und Grenzen automatischer Klassifikationen von Web-Dokumenten (2001)
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- Abstract
- Automatische Klassifikationen von Web- und andern Textdokumenten ermöglichen es, betriebsinterne und externe Informationen geordnet zugänglich zu machen. Die Forschung zur automatischen Klassifikation hat sich in den letzten Jahren intensiviert. Das Resultat sind verschiedenen Methoden, die heute in der Praxis einzeln oder kombiniert für die Klassifikation im Einsatz sind. In der vorliegenden Lizenziatsarbeit werden neben allgemeinen Grundsätzen einige Methoden zur automatischen Klassifikation genauer betrachtet und ihre Möglichkeiten und Grenzen erörtert. Daneben erfolgt die Präsentation der Resultate aus einer Umfrage bei Anbieterrfirmen von Softwarelösungen zur automatische Klassifikation von Text-Dokumenten. Die Ausführungen dienen der myax internet AG als Basis, ein eigenes Klassifikations-Produkt zu entwickeln
- Footnote
- Lizenziatsarbeit an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern, Institut für Wirtschaftsinformatik (Prof. G. Knolmayer)
- Imprint
- Bern : Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
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Walther, R.: Wanderung aus gestorbenen Systemen : Bibliotheken bemühen sich, digital archivierte Texte trotz des Wandels der Technik zugänglich zu halten (2003)
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- Content
- "Vor allem im Wissenschaftsbetrieb werden immer mehr Aufsätze, Bücher, Dissertationen, Habilitationsschriften und ganze Zeitschriften nicht mehr gedruckt, sondern auf Disketten angeboten oder ins Internet gestellt. Bei der Deutschen Bibliothek in Frankfurt, die gesetzlich verpflichtet ist, alles zu sammeln, was auf Deutsch erscheint, stieg der Bestand von digital eingelieferten Dissertationen in einem einzigen Jahr von 1500 auf 7000. Die meisten digitalen Dokumente erhält die Bibliothek derzeit im PDF-Format; künftig werden es vermehrt XML Dokumente sein. Im Gegensatz zum langsamen Sprach-und Orthografiewandel ändern sich die marktüblichen Betriebssystem-Plattformen, Programme und Formate rasant. In den 80er Jahren verbreitete Systeme wie C 64, Apple Ile, Amiga 500 und Atari 1024 STF kennen fast nur noch High-Tech-Profis und Museumsleute. Die mit den Systemen erstellten Dokumente sind für heute übliche Geräte nicht lesbar. Archiven, Bibliotheken und Museen stellt sich damit ein schwerwiegendes Problem. Die Erhaltung der Benutzbarkeit geschieht derzeit in einem zeitaufwendigen und teuren Verfahren, ähnlich dem Remastering, mit dem alte Tonaufnahmen auf den CD-Standard gehoben werden. Bibliothekare und PC-Programmfachleute, die "ausgestorbene Systemumgebungen" nachbilden, nennen diese Aufbereitung "Migrationsprozess", weil damit elektronische Publikationen von einem "ausgestorbenen" Datenträgersystem auf ein noch "lebendiges", also handelsübliches, wandern. Es ist eine komplexe Frage, welche digitalen Dokumente wie und von wem so gespeichert werden, dass sie vollständig, unverfälscht und dauerhaft nutzbar bleiben. Darin vermengen sich technische und organisatorische, aber auch ökonomische, juristische und politische Aspekte. Beantwortbar wird der Fragenkomplex nur durch eine kollektive und kooperative Anstrengung aller Akteure. Zu diesen gehören nicht nur die digitale Dokumente sammelnden Institutionen, sondern auch die Wissenschaftler, die diese Objekte erstellen, die Verlage, die an deren Verbreitung ein ökonomisches Interesse haben, sowie die demokratische Öffentlichkeit, die einen Anspruch auf möglichst umfassende und gesicherte Information besitzt. Dem Benutzer digital verbreiteter Publikationen muss die Bibliothek oder das Archiv gewährleisten, dass er authentische Dokumente abruft und nicht manipulierte oder fragmentarische. Dazu benötigen alle Dokumente eine Vertrauen schaffende Zertifizierung und standardisierte Identifikatoren, so genannte Megadaten, mit denen eine eindeutige Identifizierung des digitalen Objekts möglich ist - wie bei Büchern mit der ISBNNummer oder bei Aktenbeständen mit der Signatur. Für die Langzeitarchivierung steht ein ausgeklügeltes System zur Debatte, das eine Arbeitsgruppe der Deutschen Bibliothek in Zusammenarbeit mit den großen Universitätsbibliotheken in München, Göttingen und Berlin entworfen hat. Es ruht auf drei Säulen: dem Depotsystem, dem Dokumentenspeicher und den "Technology-Watchers". Das Depotsystem ist die Bibliothek ohne Bücher und garantiert für Echtheit, Sicherheit, Verfügbarkeit, Aufbereitung (Migration) und Qualitätskontrolle der digitalen Objekte. Es ist sozusagen die Logistik-Maschine im Hintergrund. Im Vordergrund stehen die auf den Endbenutzer zugeschnittenen Dokumentenspeicher bereit. Hier wählt der Benutzer aus, was er braucht, bestätigt seine Zutrittsberechtigung, bestellt und bezahlt unter Umständen dafür, dass er an das gesuchte Dokument herankommt. Die Technology-Watchers sind ein Frühwarnsystem für die Akteure im Depotsystem. Diese Technologiebeobachter orientieren die Logistiker in den Bibliotheken über technische Neuheiten wie neue Programme und neue Formate sowie über Defizite und Lücken im Sicherheitssystem, damit die Langzeitarchivierung der digitalen Dokumente gewährleistet und das Vertrauen der Benutzer erhalten bleibt.
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Walther, R.: Abschied von einem Relikt der Print-Ära : MEDIENgedanken: Ende des gedruckten Brockhaus-Lexikons (2013)
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- Content
- "2008 wurde bekannt gegeben, dass die 2005/06 präsentierte 21. Auflage des Brockhaus vorerst die letzte gedruckte sein wird. Ab dem 15. April 2008 war die Restauflage zwar noch zu kaufen, aber gleichzeitig wurde das Lexikon vollständig und gratis ins Internet gestellt. Vor kurzem erklärte der Verlag, dass der Betrieb eingestellt wird und nur die vertraglichen Verpflichtungen aus der Online-Aktualisierung bis 2020 weiterlaufen. Viele Kommentatoren halten die 30-bändige, gedruckte Ausgabe für ein Relikt und einen elitären Luxus angesichts der schnellfingerig zugänglichen Lexika im Internet. Der Vorgang hat neben der geschäftlich-profitorientierten eine prinzipielle, wissens- und bildungsgeschichtliche Seite. Allein darum geht es, denn der Brockhaus als Geschäft ist eine reine Privatsache der Eigentümer. Das Konversationslexikon verdankt seine Entstehung einer historischen Konstellation, die sich heute im Zeichen von Internet und elektronischer Revolutionierung der Kommunikation wiederholt. Auch die Konstellation in der Entstehungszeit des Konversationslexikons um 1810 war geprägt durch ein ökonomisches Kalkül und ein konzeptionelles Dilemma.
Ökonomisch gesehen sind die Konversationslexika des 19.Jahrhunderts die Erben der Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts. Diese großen Universallexika waren allein von ihrem Umfang, intellektuellen Anspruch und Preis her nicht für ein breites Publikum bestimmt. Genau darauf schielte jedoch der Geschäftsmann Brockhaus mit seiner schlichten Rechnung: von den 100 Millionen deutschsprachigen Europäern entfielen ihm zufolge 75 Millionen auf Frauen, Kinder, Arme und Al- te. Diese schieden als Käufer aus. Vom Rest sollte ein Viertel also rund sechs Millionen Bildungs- und Besitzbürger - ein Lexikon kaufen, um »eine Art von Schlüssel« zu erwerben, mit dem sie sich »den Eingang in gebildete Zirkel« verschaffen konnten. Daher der Name »Konversationslexikon«. Neben diesem prosaischen ökonomischen Kalkül gab es ein konzeptionelles Dilemma für die in dem Jahrhundert der Aufklärung entstandenen großen Enzyklopädien oder Universallexika. Sie beanspruchten, das gesamte verfügbare Wissen zu sammeln. Aus diesem enzyklopädischen Geist - das griechische Wort bedeutet wörtlich »Kreis der Wissenschaften« - entstand Johann Heinrich Zedlers 68 Bände starkes »Großes vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste« (1732-1754), wobei das Wort »vollständig« im Titel wörtlich verstanden wurde. Denis Diderot und Jean Le Rond d'Alembert publizierten die 35 Bände der »Encyclopédie ou dictionnaire raisonnée des sciences, des arts et des metiers« innerhalb von 29 Jahren - zwischen 1751 und 1780. Das konzeptionelle Dilemma für diese Enzyklopädien entstand, weil sich das Wissen viel schneller vermehrte und veränderte, als es gedruckt werden konnte. Die »Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste« von Johann Samuel Ersch und Johann Gottfried Gruber wurde deshalb mit dem 167. Band beim Buchstaben P 1889 abgebrochen.
Es gab zwei Auswege aus diesem Dilemma: Man konnte den umfassenden enzyklopädischen Anspruch aufrechterhalten, aber sich auf einzelne Fach- bzw. Wissensgebiete beschränken. Diesen Weg ging die »Oeconomische Encyclopädie« (1773-1858) und endete in einer Sackgasse: Mit dem 242. Band erreichte sie den Buchstaben L. und wurde 1858 eingestellt - angeblich mit dem Stichwort Leiche. Den zweiten Ausweg beschritt u.a. der Kaufmann Brockhaus. Er wollte nicht mehr alles Wissen sammeln, sondern nur das für gepflegte Gespräche notwendige Wissen. Die schwierige Frage, was zum Notwendigen gehörte und was nicht, wurde zunächst ebenso willkürlich beantwortet wie moralische, ethische und ästhetische, aber auch medizinische und politische Fragen - bieder-hausväterlich und vorurteilstrunken. Vieles blieb mit Haut und Haaren dem Zeitgeist verhaftet. Friedrich Engels, der gebildete Grandseigneur des Sozialismus, nannte Konversationslexika deshalb »Eselsbrücken des deutschen Bildungsphilisters«. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Lexika sachlicher in ihrer Diktion und wissenschaftlicher. Seit der 17. Auflage von 1966 nannte sich das Lexikon »Brockhaus-Enzyklopädie«. Aktualität, Objektivität, Selektivität und Präzision sind die Grundanforderungen an jedes Lexikon. Die vier Anforderungen sind jedoch nur schwer miteinander vereinbar. Die Aktualität kann die Objektivität gefährden, die Auswahl tangiert Aktualität und Objektivität, die Präzision ist mit Objektivitäts- und Auswahlproblemen ver- knüpft. Lexikographie war und ist inhaltlich ein Jonglierakt mit diesen vier Kugeln. Wikipedia weicht dem aus und präsentiert einen unübersichtlichen Wissenshaufen.
Wissen vermehrt und verändert sich auch heute immer schneller. Das Online-Lexikon Wikipedia ist viel schneller und umfangreicher als Brockhaus. Aber Wikipedia organisiert nicht Wissen, sondern zerstückelt es in ein ebenso wirres wie verwirrendes Labyrinth von Wissenspartikeln und Verweisen, während die 4060 Lexikographen bei Brockhaus das unübersichtlich-chaotische Expertenwissen von Tausenden von Spezialisten zu konsistenten Einheiten verdichten. Sich mit Wikipedia zu bilden, gleicht dem hoffnungslosen Unterfangen, mit einem mehrbändigen Wörterbuch eine Sprache zu lernen. Wenn der gedruckte Brockhaus verschwindet, drohen nicht Weltuntergang oder barbarische Ignoranz - ein kultureller Verlust aber allemal."
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Walther, R.: ¬Die "cacouacs" und der Baum des Wissens : Kein Pardon für Narren und Tyrannen: 250 Jahre Encyclopédie von Diderot und d'Alembert (2001)
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- Content
- "Der Werbeprospekt tönte bombastisch: "Das Werk, das wir ankündigen, ist nicht mehr ein nur in Vorbereitung befindliches Werk. Das Manuskript und die Zeichnungen dazu sind fertig." Am 24. Juni 1751 erhielt der erste Textband das königliche Druckprivileg und war bereits vier Tage später auf dem Markt. Der Prospekt versprach ferner, bis 1754 acht Text- und zwei Bildbände zu liefern. Der Initiator des großspurig angekündigten Projekts war Denis Diderot, und das Werk trägt den Titel: Encyclopédie, ou Dictionnaire Raisonné des Sciences, des Arts et des Métiers, Recueilli des Meilleurs Auteurs (Enzyklopädie oder auf Vernunfterkenntnis gegründetes Lexikon der Wissenschaften, der Künste und der Gewerbe, gesammelt von den besten Autoren). Fünfundzwanzig Jahre später - 1776 - war das 1750 angeblich "fertige" Werk wirklich fertig und umfasste 17 Text-, 11 Bild-, 4 Ergänzungs- und 2 Registerbände - insgesamt 72 000 Artikel und 2800 Kupferstiche in 35 Bänden im Foli-Format mit durchschnittlich 1000 Seiten Umfang. Angefangen hat alles 1745 mit dem Vorhaben, Ephraim Chambers' zweibändige Cyclopaedia or Universal Dictionary of Arts and Sciences (1728) ins Französische zu übersetzten. Der Verleger und Drucker André Francois Le Breton erwarb zwar ein Druckprivileg, konnte aber die Finanzierung nicht garantieren.
Das Projekt gewann erst an Konturen, als Le Breton drei weitere Pariser Verleger für das Geschäft interessieren konnte. Als Herausgeber engagierten die vier Verleger 1746 Abbé Jean-Paul Gua de Malves, als Übersetzter Denis Diderot (1713-1784) und Jean Le Rond D'Alembert (1717-1783), einen glänzenden Astronomen und Mathematiker. Bevor die Arbeiten anfingen, zerstritten sich die Verleger mit Gua de Malves. Nun sollten Diderot und D'Alembert Herausgeber und Übersetzer werden. Das scheiterte zunächst daran, dass Diderot am 22. Juli 1749 nach einem berüchtigten Geheimbefehl ("lettre de cachet") verhaftet und in Vincennes inhaftiert wurde. Man hielt ihn - zu Recht, aber unbeweisbar - für den Verfasser der 1745 in Amsterdam anonym gedruckten Philosophischen Gedanken und traute ihm auch die schlüpfrigen Geschichten unter dem Titel Die indiskreten Kleinode (1748) zu. Während der Haft intervenierten die Verleger beim Kanzler d'Aguesseau. Dieser wie auch der Justizminister d'Argenson sahen in der Encyclopédie der philosophes" ein Projekt zum Ruhme Frankreichs und zur Schande Englands". Nach 103 Tagen kam Diderot wieder frei. Teile des Hofes und der Klerus beobachteten das Unternehmen Encyclopédie von Anfang an mit Misstrauen. Die Jesuiten vom Journal de Trévoux entdeckten im ersten Band ein Defizit: Es fehlten die Namen von Königen, Gelehrten, Heiligen", während viele heidnische Gottheiten" vorkamen. Sie machten die philosophes" unter dem erfundenen Wort eacouacs" zum Gespött. Noch 1952 charakterisierte die katholische Zeitschrift Études die Encyclopédie als die fürchterlichste Maschine, die jemals gegen die Religion in Stellung gebracht" wurde. Nachdem Abbé Jean-Martin de Prades - Autor des Artikels Gewissheit - in seiner Dissertation die These vertreten hatte, die Heilungen durch Jesus Christus glichen methodisch jenen des griechischen Arztes Äskulap, brach ein Sturm der Entrüstung aus. De Prades musste fliehen. Klerikale Einflüsterungen erreichten, dass der Staatsrat am 7. Februar 1752 gegen die ersten beiden Bände der Encyclopédie eine "scharfe Missbilligung" aussprach. Das war ein faktisches Verkaufsverbot, aber keine Rücknahme des Druckprivilegs. Man konnte nicht nur weiterarbeiten, sondern die Regierung bat die Herausgeber direkt weiterzumachen auch zum Schutz der Eigentumstitel der Subskribenten. Allerdings sollten künftig drei theologisch gebildete Zensoren jeden Artikel abzeichnen. Eingefädelt hatte das alles, wie Arthur M. Wilson, der beste Diderot-Kenner, gezeigt hat, Chrétien Guillaume de Malesherbes. Malesherbes war der Chef des Buchwesens und der Zensurbehörde - zugleich Freund und Förder der Encyclopédie.
Als Diderot in Gefahr war, verhaftet zu werden, bot der Oberzensor ihm an, die ,gefährlichen" Manuskripte dort aufzubewahren, wo sie am sichersten waren - im Büro der Zensurbehörde. Ich bin mit der Aufsicht von Schriftstellern, Wissenschaft lern und Autoren aller Art beauftragt; d.h. von Leuten, die ich liebe und schätze." Er verstand sich als Garant der "Ausdrucksfreiheit", weil "diese Freiheit ... stets mehr Vorteile als Nachteile" mit sich bringe. Diderot revanchierte sich kokett mit einer Verneigung vor dem Zensor im Artikel Librairie«. Gelegentlich gab Malesherbes Diderot Tips, wie ein Thema zu behandeln sei, ohne die Theologen auf den Plan zu rufen. Wenn die Macht Malesherbes nicht ausreichte, half diejenige dessen Vaters aus der war Innenminister. Beide konnten jedoch nicht verhindern, dass das Pariser Parlement« - ein Gerichtshof - ein weiteres Dekret gegen die Encyclopédie erließ. Am 6. Februar 1759 wurde die Verbreitung der bisher erschienenen sieben Bände verboten. Der königliche Staatsrat zog am 8. März 1759 nach und widerrief das Druckprivileg mit dem Argument, der Beitrag der Encyclopédie zum "Fortschritt der Wissenschaften und Künste" könne das irreparable Verschulden gegen die Sitten und die Religion nicht ausgleichen." Einige Monate später setzte die Kirche die Encyclopédie auf den Index verbotener Bücher und forderte die Gläubigen auf, die Bücher zur Verbrennung abzuliefern. Was zunächst wie eine Katastrophe für das Projekt aussah, erwies sich bald als Produkt systemtypischer Zweideutigkeit. Bereits 1755 ließ sich Madame Pompadour, die Favoritin unter den Mätressen des Königs, vom berühmten Maler La Tour porträtieren. Gar nicht diskret, sondern gut sichtbar im Bildhintergrund stand der vierte Band der Encyclopédie. Der oberste Zensor Malesherbes und sein Nachfolger verhinderten, dass die Weiterarbeit verboten wurde. Die zunächst geforderte Rückzahlung der Subskriptionsgelder wurde nicht angeordnet und die Herausgabe der Bildbände formell genehmigt. Malesherbes spielte jahrelang ein virtuoses juristisches Spiel mit den Begriffen "stillschweigende Erlaubnis", Duldung" und polizeiliche Erlaubnis". Zeitweise überlegte Diderot, die Encyclopédie unter dem Schutz des aufgeklärten preußisehen Königs Friedrich II. fortzuführen. Aber Voltaire riet davon ab, da es in Berlin "eine gewaltige Menge Bajonette, aber sehr wenige Bücher" gebe. Herausgeber und Verleger einigten sich darauf, die restlichen zehn Textbände zusammenzustellen, zu drucken und dann auf einen Schlag auf den Markt zu bringen. Das geschah 1772 unter den Augen der Polizei, der nicht entgangen sein konnte, wenn eine solche Riesenmenge von Büchern in Druckereien in Paris und in der Provinz gedruckt, gestapelt und transportiert wurde. Als fiktiven Druckort nennen die Bände 8-17 das damals preußische Neuchâtel auf der schweizerischen Seite des Jura."
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Walther, R.: Stoff für den Salon (2005)
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- "Im Grunde ist Napoleon schuld. Seine Kontinentalsperre verdarb Friedrich Arnold Brockhaus den Handel mit englischen Wollstoffen en gros in Amsterdam. Um in der Stadt bleiben zu können und nicht in die Enge seines westfälischen Pastorenelternhauses zurückzumüssen, widmete sich Brockhaus ab 1805 seiner "Lieblingsneigung`; so die Firmengeschichte, eröffnete eine Buchhandlung und begründete eine Instanz des Bildungsbürgertums bis ins 21. Jahrhundert: den Brockhaus. Das unvollständige "Conversationslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten", seit 1796 von Renatus Gotthelf Löbel und Christian Wilhelm Franke verfasst und 1808 von Brockhaus ergänzt und herausgebracht, war das erste seiner Art. Deswegen schien es nötig, seine Funktion in einem Vorwort dem Leser zu erklären. Das Lexikon, so hieß es, solle "dem Weib wie dem Mann, dem Nichtgelehrten wie dem Gelehrten ... eine Art von Schlüssel" zur Verfügung stellen, "um sich den Eingang in gebildete Zirkel" zu verschaffen. Eine Beihilfe für Emporkömmlinge also. Allerdings war das Werk kein Geniestreich der Autoren. Sein Vorbild waren die "Zeitungslexika" ` des 17. und 18. Jahrhunderts, die als Lesehilfe für "dunkle Wörter" dienen sollten. Und die großen Universallexika der Zeit, die allein von ihrem Umfang, intellektuellen Anspruch und Preis her nicht für ein breites Publikum bestimmt waren.
Diese Verhältnisse durchbrach Brockhaus mit einer schlichten Rechnung: Von 100 Millionen deutschsprachigen Europäern sind 75 Millionen Frauen und Kinder, die entfielen ihm zufolge als Käufer. Von den restlichen 25 Millionen sollte jeder 25. - also die Bildungs- und Besitzbürger - ein Konversationslexikon kaufen. Diesen Markt wollte er erobern. Drei Jahre nach dem Kauf des "Conversationslexikons" verlegte Brockhaus sein Geschäft nach Altenburg, wo er die Konversationslexika druckte und vertrieb. Aus den zunächst sechs Bänden wurden schnell zehn. Bereits von der 5. Auflage (1818/20) verkaufte Brockhaus 32.000 Exemplare. Der Erfolg des neuen Informationsmediums rief Konkurrenten auf den Plan: 1822 brachten Johann Friedrich Pierer und sein Sohn Heinrich August das "Encyclopädische Wörterbuch der Wissenschaften und Künste" heraus, das im 19. Jahrhundert sieben Auflagen schaffte und dann vom Markt verschwand. Zu einem schärferen Konkurrenten wurden Joseph Meyer und Hermann Julius Meyer, deren "Großes Conversationslexikon für die gebildeten Stände" mit 46 Bänden und 6 Ergänzungsbänden (1839-1852) das umfangreichste Werk bildet, von dem 200.000 Exemplare verkauft wurden. Bartholomä Herder schließlich war der dritte und kleinste Mitbewerber auf dem lukrativen Lexikonmarkt. Die Konversationslexika sind aber auch die Folge eines konzeptionellen Scheiterns und einer Revolution des Wissens. Im sprichwörtlich enzyklopädischen 18. Jahrhundert wollte man das gesamte Wissen zusammenfassen. Aus diesem Geist umfassender Aufklärung entstanden die großen Enzyklopädien oder Universallexika. Johann Heinrich Zedler benötigte 22 Jahre (1732-1754) für die 68 Bände des "Großen vollständigen Universallexikons aller Wissenschaften und Künste": Denis Diderot und Jean Le Rond d'Alembert brachten die 35 Bände der "Enyclopédie ou dictionnaire raisonnédes sciences; des arts et des métiers" (1751-1780) in 29 Jahren heraus, wobei der wichtigste Mitarbeiter meistens ungenannt blieb: Chevalier Louis de Jaucourt (1704-1780), von dem man fast nichts weiß und von dem kein Bild existiert, schrieb in den Bänden 3 bis 17 nachweislich 28 Prozent der Artikel, in den letzten Bänden rund 40 Prozent.
Als sie Zedlers "Universallexikon" aktualisieren wollten, merkten die Lexikografen bald, dass sich das Wissen viel schneller vermehrte und veränderte; als sie arbeiten konnten. Erschien ein Band, war er naturwissenschaftlich, statistisch, technologisch und medizinisch bestenfalls auf dem Stand von vorgestern. Die "Deutsche Enzyklopädie" (1778-1804) wurde deshalb nach dem 23. Band beim Buchstaben K abgebrochen. Das Projekt, alles gültige Wissen aktuell zu bündeln, erwies sich als unausführbar. Ebenso erging es der "Allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste" von Johann Samuel Ersch und Johann Gottfried Gruber, deren Unternehmen nach 71 Jahren 1889 mit insgesamt 167 Bänden beim Buchstaben P endete. Einen Ausweg aus dem Dilemma bildeten fortan Spezial-Enzyklopädien zu nur einem einzigen Wissensgebiet. Johann Georg Krünitz sammelte das Wissen für seine "Oeconomische Encyclopädie" von 1773 bis 1796, er verstarb beim Verfassen des Eintrags "Leiche". Das Werk wurde 1858 mit dem 242. Band abgeschlossen. Die naturwissenschaftlich-technische Revolution machte also auch den Anspruch illusorisch, nur das gesamte Wissen der "Haus-, Land- und Staatswirtschaft" zu ordnen. An die Stelle der Monumentalwerke traten Nachschlagewerke und Handbücher für relativ kleine Teilgebiete. Einen anderen Ausweg boten, die Konversationslexika, die weder den Anspruch erhoben, alles Wissen zu sammeln, noch gedachten, nur gesichertes Wissen zu präsentieren. Die Anfänge waren bescheiden, ja geradezu poetisch. 181g lautete der erste Satz im Artikel "Polen": "Ein Land, ein Volk und ein Staat, seit tausend Jahren fast nur durch Unglück denkwürdig`: Die Auswahl der Stichworte blieb hochgradig zufällig und die Behandlung des Stoffs eher kursorisch-assoziativ als wissenschaftlich orientiert. Vieles blieb mit Haut und Haaren dem jeweiligen Zeitgeist verpflichtet. Besonders deutlich wird das, wenn man die Artikel über "Frauen" liest. Sie stürzen den heutigen Leser in einen Taumel zwischen Erheiterung und Trostlosigkeit. Für Jahrzehnte sind die Frauen "Repräsentanten der Liebe wie die Männer des Rechts", dann ist der "Mann stark im Handeln, Mitteilen und Befruchten, das Weib im Dulden, Empfangen und Gebären" Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten die Konversationslexika, wissenschaftlich gesichertes Wissen in allgemein verständlicher Sprache zu vermitteln. Aktualität, Objektivität, Selektivität und Präzision sind die Grundanforderungen an jedes Lexikon. Die vier Anforderungen bergen jedoch zugleich die Grundprobleme jedes Unternehmens, weil sie schwer miteinander vereinbar sind: Der Anspruch, aktuell zu sein, kann die Objektivität gefährden. Die Auswahl tangiert die Aktualität und die Objektivität. Auch Präzision ist mit Objektivitäts-: und Auswahlproblemen verknüpft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sind aus den Wissen popularisierenden Konversationslexika wissenschaftlich fundierte Nachschlagewerke geworden, die mehr Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts gleichen als den ersten Konversationslexika. Der "Brockhaus" hat dem Kriterium der Aktualität immer große Bedeutung eingeräumt. Aber noch die Erarbeitung der 19. Auflage dauerte volle acht Jahre, von 1986 bis 1994. Für die 20. Auflage wurden erstmals Computer und Datenbanken eingesetzt, was die Bearbeitungszeit auf dreieinhalb Jahre verkürzte. Die im Herbst 20o5 erscheinende 21. Auflage wird 30 Bände umfassen und in der Rekordzeit von einem Jahr hergestellt. Wissen vermehrt und verändert sich immer schneller. Die Arbeit am Wissen der Gegenwart gleicht deshalb einer permanenten Baustelle. Die Erfassung des Wissenswandels verlangt Antworten auf heikle Gewichtungs- und Wer tungsfragen. Natürlich will ein heutiger Benützer wissen, was eine "CD-ROM" oder ein "Carver-Ski" ist. Andererseits kann ein Lexikon unmöglich, alle technischen Neuerungen registrieren. Das Lexikon muss aus der Masse des täglich neuentstehenden Wissens das Wichtige auswählen, benutzerfreundlich ordnen und das veraltete Wissen so eliminieren, dass keine kulturellen Brüche entstehen. Auch die Spuren der Erinnerung an wissenschaftliche Irrtümer und Sackgassen dürfen nicht völlig gelöscht werden. Noch vor fünf Jahren erklärte Dieter E. Zimmer, "gedruckte Enzyklopädien haben ausgedient" (Zeit vom 10.2.2000) und setzte auf elektronische Lexika, die sozusagen stündlich aktualisiert werden könnten. Wie auf anderen Gebieten hat sich auch bei den Lexika die Cyber-Euphorie überlebt. Die berühmte"Encyclopaedia Britannica" wollte 1999 den Druck des Werks einstellen, erschien aber nach einem kurzen Auftritt im Internet aktualisiert doch wieder gedruckt in 32 Bänden (2002/03). Brockhaus wird die papierene Version des Lexikons nicht ersetzen, sondern durch medienspezifische neue Features auf DVD und Onlineportale ergänzen. Aber auch hier ist man vorsichtig geworden, denn alle Onlinedienste haben die "hohen betriebswirtschaftlichen Erwartungen (...) bis heute nicht erfüllt" (schreibt Thomas Keiderling in der Firmengeschichte). Momentan erscheint der Trend für Nachschlagewerke im Internet eher rückläufig, weil die Finanzierung des Angebots durch Werbung nicht funktioniert. Die Befürch-tung, den gedruckten Konversationslexika könnten es im neuen Jahrhundert untergehen, so wie sie Universalenzyklopädien Ende des 18. Jahrhunderts verdrängten, ist nicht akut."
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- Mit weiteren historischen Angaben: Sonderbarer Nutzen Der Schulschriftsteller und Lehrer Johann Hübner veröffentlichte 1704 in Leipzig das erste große deutschsprachige Lexikon unter dem Titel "Reales Staats-, Zeitungsund Conversationslexikon, darinnen sowohl die Religionen und staatliche Orden, die Reiche und Staaten, Meere, Seen, Insuln, Flüsse, Städte, Festungen, Schlösser, Häven, Berge, nebst alltäglichen Terminis Juridicis und Technicis, Gelehrten und Ungelehrten zu sonderbaren Nutzen klar und deutlich beschrieben werden". An Frauen richtete sich das Frauenzimmer-Lexicon aus dem Jahr 1715, von Gottlieb Sigmund Corvinus unter dem Pseudonym Amaranthes veröffentlicht. Die Oeconomische Encyklopädie des Arztes und Schriftstellers Johann Georg Krünitz, von 1773 bis 1858 in 242 Bänden erschienen, gilt als das umfangreichste deutsche Lexikon. Die völlig neu bearbeitete B. Auflage von Meyers Lexikon entstand von 1935 bis 1942 unter der unmittelbaren Kontrolle der "Parteiamtlichen Prüfungskommission" (PKK) der NSDAP. Da der braune Meyer dementsprechend tendenziös ausfiel, befand die NSDAP, dass für das Ausland eine gemäßigtere Version gemacht werden sollte. Weder das braune noch das neutralere Projekt wurden beendet. Nach dem Krieg wurden die vorhandenen Bände von der Alliierten Kontrollkommission konfisziert. Eine so genannte Antienzyklopädie erstellte Pierre Bayle (1647-1706) mit dem "Dictionaire Historique et Critique" (DHC). Im Gegensatz zu normalen Lexika stellte der DHC Meinungen direkt neben Gegenmeinungen, stellte Wissen nicht als gesicherte Fakten dar, sondern zog Fakten sogar in Zweifel. Dadurch ermutigte er seine Leser zu selbstständigem Denken und machte Fakten überprüfbar. Der DHC ist eine quellenkritische Bestandsaufnahme des theologischen, philsophischen und historischen Wissens seiner Zeit.
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Walther, R.: Wille und Kraft aller einzelnen Glieder : Mit Abschluß seiner 20. Auflage wird der 'Brockhaus' eingestellt (1999)
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