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Lenzen, M.: Künstliche Intelligenz : was sie kann & was uns erwartet (2018)
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- Abstract
- Künstliche Intelligenz (KI) steht für Maschinen, die können, was der Mensch kann: hören und sehen, sprechen, lernen, Probleme lösen. In manchem sind sie inzwischen nicht nur schneller, sondern auch besser als der Mensch. Wie funktionieren diese klugen Maschinen? Bedrohen sie uns, machen sie uns gar überflüssig? Die Journalistin und KI-Expertin Manuela Lenzen erklärt anschaulich, was Künstliche Intelligenz kann und was uns erwartet. Künstliche Intelligenz ist das neue Zauberwort des digitalen Kapitalismus. Intelligente Computersysteme stellen medizinische Diagnosen und geben Rechtsberatung. Sie managen den Aktienhandel und steuern bald unsere Autos. Sie malen, dichten, dolmetschen und komponieren. Immer klügere Roboter stehen an den Fließbändern, begrüßen uns im Hotel, führen uns durchs Museum oder braten Burger und schnipseln den Salat dazu. Doch neben die Utopie einer schönen neuen intelligenten Technikwelt sind längst Schreckbilder getreten: von künstlichen Intelligenzen, die uns auf Schritt und Tritt überwachen, die unsere Arbeitsplätze übernehmen und sich unserer Kontrolle entziehen. Manuela Lenzen zeigt, welche Hoffnungen und Befürchtungen realistisch sind und welche in die Science Fiction gehören. Sie beschreibt, wie ein gutes Leben mit der Künstlichen Intelligenz aussehen könnte - und dass wir von klugen Maschinen eine Menge über uns selbst lernen können.
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Lenzen, M.: Vor der Quadratwurzel steht die Quadratzahl (2015)
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- Abstract
- Wissenschaftliche Sammelbände sind oft teuer. Das Mainzer "Open Mind"-Projekt stellt deshalb eine ganze Textsammlung zu Geist und Bewusstsein frei ins Netz. Es ist eine umfangreiche und anregende Gedankenspende.
- Content
- "um Jubiläum eine aufwendige Konferenz und Monate bis Jahre später ein teurer Sammelband, den sich bestenfalls die Universitätsbibliotheken ins Regal stellen: Zum zehnjährigen Bestehen der MIND-Group der Universität Mainz sollte es anders laufen. Deshalb hat die von dem Philosophen Thomas Metzinger geleitete Gruppe aus über neunzig Forschern gerade eine rund zweitausend Seiten umfassende Sammlung von 39 Originalarbeiten zu Geist, Gehirn und Bewusstsein ins Internet gestellt. Kostenlos und frei zugänglich für alle unter www.open-mind.net. Die Texte stammen von den Stars und Aufsteigern der Szene: Paul Churchland erklärt Moral mit Prototypen statt Regeln, Wolf Singer sucht nach den Korrelaten des Bewusstseins, Antti Revonsuo erklärt Träume als soziale Simulation, und Jacob Hohwy präsentiert die hoch gehandelte Theorie vom Gehirn als Voraussagemaschine. Metzinger und Jennifer Windt (Mainz/Melbourne), die als Herausgeber fungieren, wollten mit dem ungewöhnlichen Publikationsformat schneller sein als die üblichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, ohne dabei auf professionelle Qualitätskontrolle zu verzichten. Gleichzeitig wollen sie Nachwuchsforscher einbinden, die sich bisweilen schwertun, den Einstieg in die internationale Debatte zu finden. Dazu erdachten sie einen komplexen Review-Prozess: Alle Texte erscheinen mit ausführlichen Kommentaren und Repliken. So entsteht manch lesenswerte Debatte, etwa wenn Kathinka Evers (Uppsala) und ihr Kommentator Stefan Schleim (Groningen) darum ringen, ob es möglich und wünschenswert ist, Menschen auf epigenetischem Weg friedfertiger zu machen. Leserdiskussionen sind allerdings nicht vorgesehen.
Die Mainzer Gedankenspende soll auch von Studenten in weniger privilegierten Ländern genutzt werden können. Sie gibt einen guten Überblick über die Vielfalt der Baustellen in der Kognitionsforschung: den flexiblen, voraussagenden, kulturbedingten Geist, den schlafenden, träumenden und moralischen Geist, den künstlichen und den aufgebesserten Geist; über Wahrnehmung und Illusion, Intuition, Bewusstsein, das Selbst und soziale Kognition. Aber auch philosophische Klassiker wie die mentale Verursachung bekommen neuen Schub. Das Bewusstsein ist kein Homunkulus Gemeinsam ist vielen Autoren die Unzufriedenheit mit bestehenden Versuchen. Anders als die Theorie vom voraussagenden Gehirn, die sich mit dessen selbst generierter Aktivität befasst, versucht Richard Menary (Sydney), das dynamische Organ in unserem Kopf in seinen kulturellen Kontext zu stellen. Er erklärt, wie moderne Rechenfertigkeiten mittels Schrift und Rechenzeichen aus unserem angeborenen Sinn für Quantitäten hervorgingen. Erst wenn wir ein System der öffentlichen Manipulation von Zahlen haben, können wir Kuriosa wie Quadratwurzeln entdecken.
Eine Dauerbaustelle ist der methodische Zugang zu den Inhalten des Bewusstseins. Tim Bayne (Manchester) hat es unternommen, die viel geschmähte Introspektion näher zu untersuchen, und gefunden, dass ihre Brauchbarkeit stark vom zu beobachtenden Phänomen abhängt. Kenneth Williford (Arlington, Texas) wagt sich an die klassisch-kontinentale Diskussion um Selbstbewusstsein und Selbstwissen. Das Bewusstsein, so Williford, ist mit sich selbst vertraut, nicht mit einem Ich, einem Homunkulus. Deshalb finden wir auch kein solches, wenn wir nach innen schauen. Und deshalb brauchen wir auch keine Theorien über Gedanken höherer Ordnung oder die Repräsentation eines ganz besonderen Objekts namens Ich. Das Gefühl, ein Individuum zu sein, ist einfach die Folge dieser Selbstvertrautheit, so Williford. Die versammelten Texte sind so unterschiedlich wie ihre Methoden. Für eine echte interdisziplinäre Geisteswissenschaft braucht es einen offenen Geist, der sich mit schnellen Urteilen zurückhält und tolerant gegenüber unvereinbaren Ansätzen ist, so die Herausgeber. Denn das eine große konsistente Bild des Geistes sei bislang kaum in Ansätzen erkennbar; und dass es intuitiv plausibel und für unser Selbstbild schmeichelhaft ausfallen wird, ist eher zweifelhaft." Vgl.: www.open-mind.net.
- Footnote
- Druckfassung in: FAZ. Nr. 17 vom 21.01.2015, S.N4 (Forschung und Lehre)
- Source
- http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/uni-mainz-stellt-publikationen-von-hirnforschern-online-13379697.html
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Lenzen, M.: Wie Ansprechpartner aus Fleisch und Blut : Wissenschaftler wollen die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine revolutionieren (2004)
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- Content
- ""Tu das Grüne mal weiter da rüber", sagt der Konstrukteur und zeigt mit seinem Datenhandschuh auf ein Baufixklötzchen, das an ein Flugzeugmodell geschraubt werden soll. Die Handarbeit erledigt sein Assistent: Max, ein junger Mann in Blau und Lila, erfasst die Geste und schiebt das Klötzchen in die gewünschte Richtung. "Ja, so ist es besser." Mit Max ein Flugzeug zu bauen ist ein anspruchsvolles Unternehmen. Nicht wegen des Flugzeugs, sondern wegen Max. Er ist ein Avatar, eine in den Raum projizierte menschliche Figur, die als Mittler zwischen Mensch und Maschine fungiert, die spektakulärste unter den vielen neuen Arten von Schnittstellen, die derzeit entwickelt werden. Der Flugzeugbau ist nur ein Beispiel für Maxens zahlreiche Fähigkeiten. "Schon die gängigen Textsysteme haben heute so viele Funktionen, dass man sich entweder ein dickes Buch kaufen muss, oder man sucht herum - und findet die Funktion, die man braucht, zwei Jahre später durch Zufall", beschreibt Ipke Wachsmuth, Professor für Künstliche Intelligenz (KI) und Direktor des Bielefelder Zentrums für interdisziplinäre Forschung, die Situation, die er zu verbessern versucht. "Man müsste einen Ansprechpartner haben, einen, den man herbeirufen kann, wenn man ihn braucht, einen, mit dem man sich ganz normal unterhalten kann, dem man zum Beispiel einfach sagen kann: Ich möchte jetzt die Zeilen nummerieren." Einen wie Max eben, mit dem Wachsmuth nicht nur Baufixflieger baut.
- Computer reagieren auf Gestik - Die Tastatur ist schon lange nicht mehr die einzige Möglichkeit, sich einem Rechner verständlich zu machen. Mit Kopfbewegungen, Augenbewegungen oder auch nur den Gehirnströmen kann man inzwischen Computer steuern, mit einem breit grinsenden Cheese den Drucker starten. Doch die virtuellen Menschen sind der letzte Schrei. Ob in Bielefeld, Karlsruhe oder San Diego, überall werden derzeit interdisziplinäre Forschergruppen zusammengetrommelt, um die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine zu revolutionieren. "Situierter künstlicher Kommunikator" heißt das Ziel, "animierter Agent", "virtueller Mensch" oder "wahrnehmende Schnittstelle". Diese Avatare verkörpern wie keine andere Technologie die so genannte Multimodalität: Außer dem gesprochenen Wort soll der Computer auch Gestik, Mimik und die Sprachmelodie erfassen, denn ein sarkastischer Unterton kann die Bedeutung des Gesagten bekanntlich ins Gegenteil verkehren. "Idealerweise liefert die Maschine auch einen multimodalen Output", sagt Wachsmuth. "Dazu braucht man natürlich eine verkörperte Erscheinungsform des Systems, mit der man dann kommunizieren kann." Die virtuellen Menschen, ausgestattet mit Emotionen und Persönlichkeit, sollen dem Computernutzer dereinst ein perfekter Assistent sein, mit den Interessen und Gewohnheiten seines Chefs vertraut, stets zu Diensten und nie schlecht gelaunt. - Viele Rätsel für Forscher - Ein ehrgeiziges Ziel, denn vieles, was dem Menschen mühelos gelingt, zum Beispiel bemerken, wann er gemeint ist oder unpräzise Sprache verstehen, gibt KI-Forschern noch immer Rätsel auf. Meist muss man ein System erst einschalten oder es mit einem Stichwort ansprechen. "Computer!" "Das ständige Mithören und Überlegen, wer denn nun gemeint ist, hat sich bislang als nicht praktikabel erwiesen% sagt Wachsmuth. "Das ist eine wirklich hoch stehende soziale Fähigkeit." Indirektes Management heißt die Art, Probleme zu lösen, indem man mit einem maschinellen Assistenten interagiert und ihn den Kleinkram erledigen lässt. Eine andere Art von Schnittstelle ermöglicht direkte Manipulation: Der Nutzer kann im virtuellen Raum oder am Bildschirm selbst Tätigkeiten ausführen, ohne dass ein Mittler dazwischensteht. Haptische Interfaces lassen den Designer das Material spüren, das er virtuell bearbeitet, sei es über einen Datenhandschuh, sei es über eine Art Stift, der in der Hand gehalten wird und sich anfühlt, als berühre er den Gegenstand auf dem Bildschirm. Die Anwendung solcher virtuellen Manipulationen reicht vom Produktdesign über das Trainieren komplexer Prozeduren, wie sie etwa bei Operationen nötig sind, bis hin zum Umgang mit Giftmüll, der Erkundung des Weltraums oder der Tiefsee. Vieles von diesen Visionen wird noch lange Zukunftsmusik bleiben. Tanja Diezman, Professorin für Interface Design an der Fachhochschule Anhalt, hat sich ein naheliegenderes Ziel gesetzt, sie will die Mensch-Maschine-Kommunikation über direkt manipulierbare visuelle Schnittstellen (navigable structures) verbessern. Dabei handelt es sich nicht nur um Bildschirme und Displays, Diezmann arbeitet auch mit Headsets und holographischen Projektionen: "Bei der Entwicklung von Programmen steht häufiger der Wunsch im Vordergrund, alle Funktionen gleichzeitig zu prä-sentieren, als die Frage zu beantworten, wie; das Interface den Nutzer am besten in seinem Arbeitsprozess unterstützen kann" sagt Diezmann. "So kommt es, dass zahlreiche Officeprodukte redundante Funktionen haben: Da wird die Farbpalette an immer anderen Stellen angeboten, obwohl es eigentlich nur eine einzige ist."
- Zeit und Geld sparen - Diezmann vermisst die Orientierung an ergonomischen und wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen und auch am Design. "Da kauft man ein super gestyltes Handy - und wenn man das Display anschaltet, werden einem alte klotzige Icons angeboten - wundert sie sich. Um die Navigable Structures benutzerfreundlicher zu machen, befasst Diezmann sich mit den Strukturen der zwischenmenschlichen Kommunikation. Die neuen Interfaces sollen die Beziehungen der Informationen untereinander anzeigen und einen Überblick über das ganze System bieten. Sie sollen dem Nutzer auf einen Blick zeigen, wer ihm die meisten und wer die wichtigsten Mails schickt oder aus welchem Kontext eine Suchmaschine Informationen fischt. Verkäuflich sind diese Entwicklungen selten: "Kaum einer sieht die Notwendigkeit; Interfaces zu verbessern und damit langfristig Zeit und Geld zu sparen. Stattdessen wird Zeit für die Trial-and-Error-Bedienung vergeudet", wundert sich Diezmann."
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Lenzen, M.: Eine Leipziger Tagung über Kognitionswissenschaft : Traum vom künstlichen Fußballspieler (2001)
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- "Auf Kinoleinwänden tummeln sich Roboter, die von Menschen kaum zu unterscheiden sind. Auf den Fußballfeldern der Kognitionsforscher dagegen düsen kleine Wägelchen munter in der Gegend herum und suchen nach dem Ball, stehen sich selbst im Weg und befördern auch mal einen gegnerischen Spieler ins Tor, wenn sie den Ball nicht finden können. Der Weg zur Perfektion ist noch weit. Der Fußballstar ebenso wie der Haushaltsgehilfe, der die Küche aufräumt, sind eher ein Nebenprodukt der Kognitionsforschung. Künstliche kognitive Systeme, sollte es denn je gelingen, sie zu konstruieren, sind aber vor allem deshalb interessant, weil sie einen leichteren Zugang zu kognitiven Phänomenen versprechen als die komplexen Lebewesen. Dies erläuterte Frank Pasemann (Jena) unlängst auf der fünften Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Kognitionswissenschaft in Leipzig. Pasemann beschrieb kognitive Systeme als dynamische Systeme mit oszillierendem, chaotischem Verhalten. Diese dynamischen Eigenschaften sind seiner Ansicht nach die Basis kognitiver Fähigkeiten. Wie diese allerdings entstehen, weiß bislang niemand. Die Ansprüche der Kognitionsforscher haben sich gewandelt. Vom Turing-Test bis zu den Turnieren Deep Blues fand der Wettstreit zwischen Mensch und Rechner auf der Tastatur oder auf dem Schachbrett statt. Inzwischen sind die Ansprüche gewachsen. Allgemeine, verkörperte, situierte Intelligenz ist gefragt: sich in der Welt zurechtfinden, lernen, schnell und flexibel reagieren. In den besten Zeiten des Computermodells des Geistes hoffte man noch, über den Geist sprechen zu können, ohne das Gehirn zu kennen. Inzwischen hat sich ein biologischer Realismus durchgesetzt: Zwar ist nach wie vor von der Informationsverarbeitung im Gehirn die Rede, doch intelligente Systeme baut man inzwischen eher nach dem Vorbild der Natur, als daß man das Gehirn anhand des Computers zu verstehen versuchte. Da ist es mit Programmen allein nicht getan, dazu bedarf es eines Körpers, eines Roboters. Den ultimativen Intelligenztest, schrieb der Kognitionsforscher Rolf Pfeifer vor kurzem, haben die künstlichen Systeme erst bestanden, wenn sie ein Basketballspiel gegen eine menschliche Mannschaft gewinnen. Statt auf Basketball hat sich die Zunft inzwischen auf Fußball spezialisiert. Gewisse Grundprinzipien sind dabei weitgehend unstrittig. Statt bei den Höhenflügen des menschlichen Geistes gilt es bei einfacheren Dingen zu beginnen, bei Orientierung und Bewegungssteuerung etwa. Gibt man einem Roboter einen detaillierten Plan seiner Welt und der von ihm erwarteten Aktionen, wird er sich elegant in der Welt bewegen. Allerdings nur, solange sich die Welt nicht verändert - eine recht unrealistische Annahme. Dem begegnet man am besten mit selbstlernenden Systemen. Rolf Der (Leipzig) führte ein System vor, das mit Hilfe seiner künstlichen Neuronen lernen kann, an einer Wand entlangzufahren oder einen Ball zu schieben. Dazu ist nur die Vorgabe nötig, die Sensorwerte stabil zu halten. Um zu verhindern, daß es diesen Auftrag durch einfaches Stehenbleiben erledigt, gab Michael Herrmann (Göttingen) seinem System noch ein Neugier-Prinzip mit auf den Weg. So entsteht scheinbar zielorientiertes Verhalten, ohne daß dem System ein Weltmodell vorgegeben werden müßte. Bislang ist das menschliche Gehirn jedoch auch den teuersten und besten künstlichen Systemen noch weit überlegen. Ein paar hundert Millisekunden reichen aus, um ein Gesicht als solches zu erfassen, zumeist auch schon, um seine Identität festzustellen. Ähnlich beim Verstehen: Kaum ist ein Satz ausgesprochen, hat man ihn gewöhnlich auch schon verstanden. Das leistet kein Computerprogramm. Nancy Kanwisher (MIT) versuchte mit Hilfe moderner bildgebender Verfahren, kategorienspezifische Regionen im visuellen Kortex zu finden, solche Regionen etwa, die nur für die Wahrnehmung von Gesichtern zuständig wären.
Dazu zeigten Kanwisher und ihr Team Personen unterschiedliche Dinge: Gesichter, Blumen, Tiere, Landschaften, Stühle und so weiter. Sie beobachteten, ob einige egionen stärker auf bestimmte Reize reagierten als andere. Dabei zeigte sich; daß in, der Tat eine Region in der rechten Hälfte des visuellen Cortex etwa doppelt so stark auf Gesichter anspricht wie auf andere Dinge. Eine weitere Region scheint für Körperteile mit Ausnahme von Gesichtern zuständig zu sein. Andere kategorienspezifische Regionen entdeckten die Forscher nicht, weder bei Dingen, die man für evolutionär relevant halten könnte, beispielsweise Nahrungsmittel oder Raubtiere, noch bei Musikinstrumenten, Möbelstücken. Auch Autos ergaben eine Fehlanzeige, obwohl Kanwisher die Probanden für letzteren Versuch aus den Kreisen begeisterter Autoclub-Mitglieder rekrutierte. Angela Friederici (Leipzig) berichtete von Studien, bei denen Versuchspersonen korrekte Sätze, grammatisch korrekte, aber sinnlose Sätze und grammatisch falsche Sätze präsentiert wurden. Das ereigniskorrelierte Potential ihrer Gehirne zeigte vierhundert Millisekunden nach der Präsentation der sinnlosen, grammatisch aber korrekten Sätze starke Aktivität, bei syntaktisch falschen Sätzen trat die Aktivität dagegen schon nach 160 Millisekunden auf. Friederici interpretierte' dies als Hinweis, daß das Gehirn eingehende Sätze zuerst auf ihre syntaktische Stimmigkeit prüft und dann eine Art Muster des Satzes erstellt. Erst danach kümmert es sich um die Bedeutung. Durch Filterprozesse gelang es auch, rein prosodische Sprache zu erzeugen, bei der die Satzmelodie erhalten blieb, der Inhalt aber verschwand. Gewöhnlich sind prosodische Grenzen auch syntaktische Grenzen, ein Effekt, den Kleinkinder als' Einstieg in die Sprache benutzen. Wird die Satzmelodie manipuliert, zeigt sich, daß das Gehirn einen falsch betonten Satz aber nur kurz für einen ungrammatischeu hält. Nach etwa fünfhundert Millisekunden interagieren Syntax- und Semantikerkennung im menschlichen Gehirn, nach sechshundert Millisekunden erfolgt die erste Reaktion der Versuchsperson. Das Kreuz der Kognitionsforschung liegt darin, daß die menschliche Selbstwahrnehmung für ihre Belange völlig unzureichend ist. A. Knauff (Freiburg) fand etwa heraus, daß, entgegen der verbreiteten Meinung, bildliches Vorstellen beim Schlußfolgern eher hinderlich ist. Bildliches Vorstellen ist eine effektive und viel benutzte Problemlösungsstrategie, das ist empirisch gut abgesichert. Die Lösung abstrakter Probleme gilt als schwieriger als diejenige konkreter Aufgaben, eben weil man sich nichts dabei vorstellen kann. Wie Knauff herausfand, sind ber lediglich räumliche Vorstellungen hilfreich, Über-unter-Relationen etwa, konkrete visuelle Bilder erwiesen sich dagegen als störend. Fragen der Art: "Der Hund ist sauberer als die Katze, der Affe ist schmutziger als die Katze. Ist der Hund sauberer als der Affe?" zu beantworten dauerte deutlich länger als strukturgleiche Fragen über räumliche Zusammenhänge"