Kettner, M.: Im argumentativen Diskurs : Feuereifer des Denkens: Zum 80. Geburtstag des Philosophen Karl-Otto Apel (2002)
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- Der Begründer der "Diskursethik", Karl-Otto Apel, wird heute 80 Jahre alt. Seinen Geburtstag feiert er auf einem ihm zu Ehren veranstalteten Symposion zum Menschenrechtsethos zwischen "erster" und ,;dritter" Welt in Mexiko, wo er - wie in vielen lateinamerikanischen Ländern - hohes Ansehen genießt. Seine philosophische Position bat Apel "Transzendentalpragmatik" genannt. Kant bezeichnete jene Untersuchungen als transzendental, die die strukturelle Verfassung unseres erkennenden Zugangs zu Gegenständen aller Art aufklären wol-len. Freilich glaubte Kant noch, dass sich solche Strukturen, die die Möglichkeit der Gültigkeit unserer Erkenntnisakte verbürgen, ohne Bezug auf Sprache und Kommunikation charakterisieren lassen. Und Kants Erkenntnisbegriff erlaubt keine adäquate Thematisierung derjenigen Wissenschaften, die, wie zum Beispiel die Soziologie, Geschichts-, Kunst- oder Rechtswissenschaften, nicht von natürlichen Phänomenen, sondern von kulturellen Gestaltungen handeln. Über beide irreführenden Beschränkungen führt Apel den kantischen Ansatz hinaus, indem er Kants Frage nach den Strukturen der Gegenstandskonstitution sprachphilosophisch transformiert: Sie geht, über in die Aufklärung von Voraussetzungen, an die wir uns halten müssen, wenn wir mit der vernünftigen Rede von Autoren und Adressaten, das heißt: im "argumentativen Diskurs", Geltungsansprüche verbinden, die allgemeinverbindlich gemeint sind: wie die Wahrheit unserer Aussagen, die Richtigkeit unserer Moralurteile, die Sinnhaftigkeit überhaupt unseres Handelns in und außerhalb der Sprache.
Als erster Philosoph in Deutschland hat Apel bereits in den. sechziger Jahren Heideggers Welterschließungsphilosophie, die philosophische Hermeneutik von Dilthey bis Gadamer und die Sprachspiel-Analysen von Wittgenstein in eine kritische Zusammenschau gebracht. Der Ertrag erschien 1973 in den zwei Bänden seiner inzwischen "klassischen" Aufsatzsammlung Transformation der Philosophie im Suhrkamp Verlag: Hier findet sich auch der Gründungstext der Diskursethik. Die Diskursethik, also jene berühmte inhaltlich minimale Moral, die für alle möglichen zur Argumentation fähigen und willigen Wesen gilt, hat Apel ideell geboren in einem Essay der späten sechziger Jahre über das Apriori der , Kommunikationsgemeinschaft. Die Variante, zu der Jürgen Habermas sie weiterentwickelt hat, wird inzwischen auch in amerikanischen Philosophy Departments diskutiert; merkwürdigerweise halten dort viele Habermas für den Begründer der Diskursethik. Eine zweite bedeutende Aufsatzsammlung Apels, Diskurs und Verantwortung, erschien 1988 (ebenfalls bei Suhrkamp). Hierin entwickelt Apel Konsequenzen seiner Position für die praktische Philosophie. Mit Postmodernisten und Dekonstruktivisten, mit Gianni Vattimo, Richard Rorty, Jacques Derrida, Jean Francois Lyotard, aber auch mit seinem Freund und Kollegen Jürgen Habermas, dem er eine "Verklärung der Lebenswelt" vorwirft, geht er darin hart ins Gericht: Er begreift all diese Theorieansätze als Spielarten einer Vernunftkritik, die die, Macht der Vernunft unnötig schwächer ersch einen lässt, als' sie ist. Der springende Punkt in jener Philosophie der vernünftigen Geltungsansprüche, als die man die Transzendentalpragmatik auch charakterisieren könnte, ist eine innige Verbindung, die besteht zwischen dem Willen zum Sichrechtfertigenkönnen und einem Sichöffnen für die kritischen Einsprüche anderer, sus welchem Kontext, welcher Kultur und welcher besonderen Lebenswelt `diese Einsprüche auch kommen mögen. Hier offenbart Apel die lebensgeschichtlichen Wurzeln des eigenen Engagements für ein Ethos der Diskursivität: Jahrgang 1922, erlebte er als Soldat im Zweiten Weltkrieg den deutschen "Nazi-Kommunitarismus" als grauenhaften Zerfall auch der moralischen Logik der Zwischenmenschlichkeit. Das Beharren auf abgegrenzten Gemeinschaftsidentitäten ist für ihn der erste Schritt zum Ausschluss des Anderen, Relativismus in der Moral die schiefe Bahn zur Barbarei.
Apel hat seit 1961 in Mainz, Kiel, Saarbrücken und bis zu seiner Emeritierung 1987 an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität gelehrt. Viele Haupt- und Nebenfachstudenten haben in seinen Vorlesungen und Seminaren mit leibhaftiger Intensität 'erfahren, was Feuereifel des philosophischen Denkens und unermüdliche Anstrengung des Begriffs sein können: Philosophie nicht als Trost über die Zerrissenheit der modernen Welt, sondern als andauernde Provokation, angetrieben durch die hilosophische Grundfrage, was an einer sche denn wirklich Vernünftiges dran sei.