Heidrich, J.: Illegale E-Mail-Filterung : Eigenmächtiges Unterdrücken elektronischer Post ist strafbar (2005)
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- Abstract
- Nicht nur wer fremde E-Mail heimlich ausspäht, verletzt das Fernmeldegeheimnis, sondern auch derjenige, der etwa als Serverbetreiber elektronische Botschaften unwillkommener Absender für Dritte gezielt unterdrückt, ohne dass die Empfänger davon wissen und damit einverstanden sind. Das kann auch Maßnahmen zur Spam-Filterung betreffen.
- Content
- "Anfang Januar entschied der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe [1], dass das gezielte Ausfiltern von E-Mail ohne Kenntnis und Zustimmung der Empfänger als Verletzung des Fernmeldegeheimnisses nach § 206 des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbar sein kann. Ausgangspunkt des Verfahrens war die Strafanzeige eines ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiters der Karlsruher Universität. Nachdem er im Jahr 1998 dort ausgeschieden war, hatte er per E-Mail weiter mit dort tätigen Dozenten, Wissenschaftlern und Freunden Kontakt gehalten. Elektronischer Maulkorb Im Herbst 2003 verbot ihm die Hochschule, weiterhin ihre Kommunikationseinrichtungen zu benutzen. Darüber hinaus wurden alle an ihn gerichteten und von ihm stammenden Nachrichten zentral ausgefiltert - das Ergebnis war unter anderem, dass auf keinem MailAccount des Hochschulbereichs elektronische Post von diesem Ex-Mitarbeiter eingehen konnte. Darüber hatte die Universität allerdings zunächst weder ihn noch die anderen Beteiligten informiert. Nach Ansicht der badischen Richter haben sich die Verantwortlichen der Hochschule damit möglicherweise strafbar gemacht. Die dafür maßgebliche Vorschrift, § 206 StGB, schützt neben dem öffentlichen Interesse an der Wahrung des Post- und Fernmeldegeheimnisses zugleich das Vertrauen der Allgemeinheit in die Sicherheit, Zuverlässigkeit und Integrität des Post- und Fernmeldeverkehrs. Dieser liegt nach dem Fall des Postmonopols immerhin in den Händen von Privatunternehmen.
Vertrauenssache Strafbar macht sich danach unter anderem derjenige, der als Inhaber oder Beschäftigter eines Unternehmens, das geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringt, eine diesem Betrieb zur Übermittlung anvertraute Sendung vorsätzlich unterdrückt. Ein "Unterdrücken" ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Nachricht den Empfänger nicht oder nur unvollständig erreicht. Die Entscheidung der Karlsruher Richter bedeutet gleichzeitig eine Schlappe für die zunächst zuständige Staats- und Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe. Beide Behörden hatten zuvor übereinstimmend die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verweigert. Ein solches Verfahren musste der betroffene Ex-Mitarbeiter nun erst durch ein Klageerzwingungsverfahren nach § 172 der Strafprozessordnung (StPO) gegen die Behörden vor dem OLG durchsetzen. Im Januar 2004 hatte die Staatsanwaltschaft es abgelehnt, ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Verletzung des Post- und Briefgeheimnisses nach § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB einzuleiten. Sie vertrat die Ansicht, es stehe den beschuldigten UniVerantwortlichen frei, die Zusendung unerwünschter E-Mails zu blockieren. Eine gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde des Betroffenen wies die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe zurück. Nach Auffassung der Behörde sei das Unterdrücken derartiger Sendungen allenfalls bei Unternehmen strafbar, nicht dagegen bei einer Hochschule als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dabei spiele es auch keine Rolle, ob den Bediensteten und sonstigen Nutzern auch die private sowie wirtschaftliche Nutzung der E-MailAccounts der Universität erlaubt sei. Unis als Gratis-Provider Dieser Ansicht erteilten die Richter des OLG in ihrer rechtskräftigen Entscheidung eine Absage. Der Begriff des Unternehmens im Sinne von § 206 StGB sei weit auszulegen, denn der Gesetzeszweck sehe vor, das "subjektive Recht des Einzelnen auf Geheimhaltung des Inhalts und der näheren Umstände des Postverkehrs und seinen Anspruch auf Übermittlung von Sendungen zu schützen". Da es im Rahmen der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen nicht auf eine Gewinnerzielungsabsicht ankomme, betreffe die Vorschrift auch Hochschulen, die ihre Telekommunikationsanlage unterschiedlichen Nutzergruppen wie Mitarbeitern, Vereinen und außenstehenden Dritten zur Verfügung stellen, wie es auch die Uni Karlsruhe tut. Bei dem Beschluss handelt es sich um die erste obergerichtliche Entscheidung zur Strafbarkeit des Ausfilterns von E-Mail. Die Richter folgen dabei inhaltlich der Meinung in der neueren juristischen Literatur. Die Entscheidung beschränkt sich in ihrer Tragweite nicht nur auf das gezielte Aussortieren von Botschaften einzelner Personen, wie es im vorliegenden Fall geschehen ist. Den Tatbestand des § 206 StGB erfüllt auch regelmäßig das vorsätzliche Filtern und Löschen von sonstigen Nachrichten, beispielsweise zum Spam-Schutz, sofern es ohne Kenntnis und Zustimmung der Betroffenen geschieht [2]. Allerdings ist im Fall der Viren-Filterung von einem vermuteten Einverständnis der Betroffenen auszugehen, sodass eine Strafbarkeit insoweit entfällt. Ob ein solches Einverständnis generell auch für E-Mail-Werbung angenommen werden kann, ist umstritten. Da die Beurteilung einer Mail als "Spam" eine stark subjektive Komponente hat und es für den Filternden kaum ersichtlich ist, welche Sendung von welchem Empfänger gewünscht ist oder eben nicht, lässt sich eine generelle Zustimmung aller Empfänger zumindest bei (auch) privater E-Mail wohl eher nicht vermuten. Daher obliegt es den Arbeitgebern, Providern und Behörden, vorab die Betroffenen von der Filterung zu informieren und deren Einverständnis einzuholen. Das kann etwa in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), Betriebsvereinbarungen oder Dienstanweisungen geschehen.
Startschuss für Strafermittler Eine Aussage darüber, ob sich die Beteiligten in diesem konkreten Verfahren tatsächlich strafbar gemacht haben, enthält die Entscheidung des OLG Karlsruhe allerdings nicht. Durch den Beschluss hat das Gericht nur die Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständige Staatsanwaltschaft erzwungen. Diese muss nun unter anderem klären, ob das Ausfiltern der E-Mail tatsächlich unbefugt geschehen ist oder hierfür ein Rechtfertigungsgrund vorlag, der die Strafbarkeit ausschließen kann. Nach Ansicht der Richter kann es im Einzelfall gerechtfertigt sein, eine E-Mail herauszufiltern, beispielsweise dann, wenn diese mit Viren verseucht ist, deren Verbreitung möglicherweise Störungen oder Schäden der Telekommunikations- und Datenverarbeitungssysteme hervorruft."