Document (#33419)
- Author
- Schlosser, H.
Leppert, G. - Title
- ¬Die Kartoffel ist ein Fremdwort : Horst Schlosser lobt importierte Begriffe
- Issue
- Interview.
- Source
- Frankfurter Rundschau. Nr.42 vom 19.2.20089, S.D4
- Year
- 2008
- Series
- Hessen
- Content
- "Herr Schlosser, das Goethe-Institut und der Deutsche Sprachrat haben einen Wettbewerb mit dem Titel "Das beste eingewanderte Wort" ausgeschrieben. Was ist Ihr persönlicher Favorit? Es gibt mehrere Wörter, die meiner Ansicht nach diese Auszeichnung verdient hätten. Zum Beispiel: Wein oder Kartoffel. Wein? Kartoffel? Wir dachten, Sie entscheiden sich für Outsourcing oder Assimilation. Für ein richtiges Fremdwort eben. Sehen Sie, das ist genau der Punkt. Wenn von Fremdwörtern die Rede ist, denkt jeder an solche Begriffe. Viele wissen gar nicht, dass Wein vom Lateinischen Vinum und Kartoffel vom italienischen Wort Taratopoholi stammt. Die meisten Menschen denken, das seien originär deutsche Wörter. Wir benutzen also weitaus mehr Fremdwörter, als wir glauben? Allerdings. Die deutsche Sprache hat einen Wortschatz von etwa 400 000 bis 500 000 Wörtern - was im Übrigen sehr viel ist. Rund 100 000 Begriffe sind aus anderen Sprachen eingewandert. Hilft der Wettbewerb, das Bewusstsein dafür zu stärken? Sicher, ich halte diesen Wettbewerb für eine gute Sache. Es ist wichtig zu verbreiten, dass eine Sprache nicht nur von sich selbst lebt, sondern auf Importe angewiesen ist. Natürlich droht bei solchen Sprachwettbewerben immer eine gewisse Beliebigkeit, und manch einer wählt nicht das Wort, sondern die Sache, die es beschreibt. Bei einem Wettbewerb zum schönsten Wort hätte Schokolade gute Chancen. Grundsätzlich aber macht so eine Aktion deutlich, dass die Übernahme von sprachlichen Elementen aus anderen Kulturen nichts Anrüchiges ist. Mit dieser Meinung machen Sie sich bei Menschen, die die deutsche Sprache möglichst frei von Fremdwörtern halten wollen, aber keine Freunde. Ja, deren Argumente kenne ich: Wir geben unsere Kultur - das ist im Übrigen auch ein Fremdwort - auf, wenn wir unsere Sprache aufgeben. Das ist Unsinn. Die Sprache geht nicht durch den Import von Wörtern unter, sonst wäre die deutsche Sprache seit 1200 Jahren tot. Damals hielten unendlich viele lateinische Begriffe in die deutsche Sprache Einzug. Sie sind also gegen die Eindeutschung von Fremdwörtern? Diese Initiativen haben häufig etwas Albernes. Da soll man dann Klapprechner statt Laptop sagen. Das halte ich für unsinnig. Im Übrigen ist die Idee, Fremdwörter zu übersetzen, alles andere als neu. Schon die Sprachgesellschaften im 17. Jahrhundert wollten das Wort Kloster durch Jungfernzwinger ersetzen. Hat sich nicht wirklich durchgesetzt. Sind alle derartigen Versuche gescheitert? Nein, das kann man nicht sagen. Statt Adresse sagen viele Menschen Anschrift, statt Korrespondenz ist das Wort Briefwechsel geläufig. Das ist auch sehr gut so, denn auch ich bin gegen einen unnötigen Gebrauch von Fremdwörtern. Ich finde nur, man sollte nichts dramatisieren. Es gibt durchaus Bereiche, in denen sich die besonders scharf kritisierten Anglizismen so gut wie gar nicht durchgesetzt haben. Können Sie ein Beispiel nennen? Im Rechtswesen etwa spielen die englischen Wörter so gut wie keine Rolle. Bemerkenswert ist übrigens auch, dass die Bild-Zeitung weitgehend auf Anglizismen verzichtet. Zu viel Englisch würde Leser kosten."
- Footnote
- Vgl. unter: http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/campus/?em_cnt=1289243.
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