Document (#33308)
- Author
- Klimes, T.
- Title
- ¬Der Freunde-Verkäufer : Mark Zuckerberg handelt mit Privatdaten - nun umgarnt ihn die globale Werbewirtschaft
- Source
- Frankfurter Rundschau. Nr.22 vom 26.1.2008, S.48
- Year
- 2008
- Series
- Magazin
- Content
- ""I'm CEO . bitch" soll bis vor kurzem noch auf seiner Visitenkarte gestanden haben - "ich bin Geschäftsführer ... du Pisser." Er trägt Adiletten und Schlabberpullis, auch bei wichtigen Geschäftstreffen in Silicon Valley. Mark Zuckerberg, Kopf der Web-Plattform "Facebook", inszeniert sich gern als der Anti-Boss, als das coole College-Kid. "Der aufgeblasene kleine Scheißer hinter dem jüngsten Internet-Phänomen", höhnte das US-Satireblatt The Onion. Jetzt ist die Frotzelei in heftige Kritik umgeschlagen. "Facebook" sei der neue "Big Brother" im Internet, warnt der britische Guardian. Zuckerbergs Konzern werde von Hintermännern gesteuert, die allein an die persönlichen Daten der Nutzer heranwollten - um sie gezielt mit Werbung zu beschicken. Auf Zuckerbergs Visitenkarte steht mittlerweile nur noch "Gründer und Geschäftsführer". Die neuerliche Kritik hat an seiner Wertschätzung durch die Industrie nichts geändert. Der 23-jährige Unternehmer wird heute auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos vor Politikern und Unternehmern aus aller Welt reden. Sein Thema: die Zukunft der Werbung. Es gibt gewichtige Gründe für seine Einladung in die Schweiz. Die Internetplattform, die Zuckerberg vor vier Jahren aufbaute, ist zu einem Massentreffpunkt im Netz avanciert. Rund 60 Millionen Mitglieder stellten bislang ihr Profil auf die Seite: persönliche Angaben zu Hobbys, Vorlieben - zu ihrem Leben. Zuckerberg kann diese Daten zu Werbezwecken nutzen - so steht es in den Geschäftsbedingungen. Deshalb reißt sich nun die Industrie um den jungen Gründer. Für sie verspricht "Facebook" nicht neue Freunde, sondern neue Kundschaft - die sie ganz gezielt bewerben kann.
In vier Jahren zum Milliardär Der wirtschaftliche Wert des Unternehmens wird heute auf 15 Milliarden Dollar geschätzt. Im Oktober kassierte Zuckerberg 240 Millionen Dollar von Microsoft, dem Bill-Gates-Konzern. Für 1,6 Prozent an "Facebook". Die Erfolgsgeschichte von Zuckerberg beginnt, wie viele dieser Geschichten von Computer-Revolutionären beginnen - mit einer Legende. Wie die von Bill Gates, der aus einer Garage heraus die Welt veränderte, indem er das erste Betriebssystem für Computer programmierte. Die Legende von Zuckerberg beginnt im Jahr 2004 in der US-Elite-Universität Harvard. Der Psychologie-Student sitzt in einer Vorlesung, vorne am Pult fordert ein Gastredner die Studenten auf, ihre persönlichen Chancen und Möglichkeiten zu nutzen, zu versuchen, etwas Eigenes zu schaffen. Wenn nötig, sollten sie sich eine Auszeit von der Universität nehmen - er habe das damals schließlich auch gemacht. Er, Bill Gates. Mit 19 Jahren beherzigt Zuckerberg den Rat des Gastredners und bricht sein Studium ab. Theoretisch könne er ja wieder zurück nach Harvard gehen und sein Studium beenden, sagt er. Das hat auch Bill Gates einmal erzählt, auch er war damals 19. Mark Zuckerberg wurde 1984 in Westchester County geboren. Der Vater war Zahnarzt, die Mutter Psychotherapeutin - der Sohn ein Computernarr. 2002 geht er nach Harvard, um Psychologie zu studieren. In seiner Freizeit baut der Student ein Uni-internes Netzwerk auf, über das seine Kommilitonen miteinander kommunizieren können. Es wird ein Riesen-Erfolg. 2004 kommt Gates nach Harvard - und Zuckerberg macht sich mit seiner Idee auf den Weg ins kalifornische Silicon Valley, auf der Suche nach Geldgebern. In Kalifornien trifft Zuckerberg den deutschen Investor Peter Thiel, Gründer des Internet-Bezahldienstes PayPal. Der glaubt an Zuckerbergs Idee und investiert 500000 Dollar. Heute hält Thiel sieben Prozent an "Facebook".
Nun soll "Facebook" nicht mehr nur der nette Internetmarktplatz sein, auf dem sich Freunde treffen - Zuckerberg will einen neuen Internet-Standard schaffen. Ob E-Mails oder Einkäufe, alles soll über "Facebook" laufen. Dazu machte er im Mai 2007 die Programmcodes des Netzwerks öffentlich. Dutzende Informatiker entwickelten eigene kleine Programme um "Facebook" herum, neue Firmen gründeten sich. Bis heute gibt es über 4000 Zusatzfunktionen für das Netzwerk. Spiele wie etwa "Foodfight", in denen man sich gegenseitig mit digitalen Speisen bewerfen kann. Aber auch Programme zum Handel auf der Auktionsplattform eBay. Zuckerbergs Vision erinnert an eine andere aus den späten 70ern. Auch damals wurde ein Standard gesucht - für die sich verbreitenden Computer. Damals entwickelte Bill Gates "Microsoft Dos". Der Weg zum Standard ist für Mark Zuckerberg auch der Weg zum Geld. Das Konzept hinter den Programmen ist simpel: Wer die kostenlosen Spielereien nutzen will, muss weitere persönliche Daten hinterlassen. Diese Daten sind Zuckerbergs Währung. Protest gegen Späh-Programm Doch vielen Nutzern ging die Expansion von "Facebook" zu weit. Das Programm "Beacon" verfolgte nach, welcher Nutzer welches Produkt im Netz kaufte - und schickte Kaufempfehlungen an alle, die im persönlichen Adressbuch eingetragen waren. Nach Protesten entschuldigte sich Zuckerberg und zog das Programm zurück. Dennoch: Für die großen Wirtschaftsunternehmen gilt er weiter als Visionär. Er hat gezeigt, wie es funktionieren könnte. Der "kleine Scheißer", der immer noch in Adiletten geht, ist in Davos ganz oben angekommen. Neben ihm auf der Gästeliste: Bill Gates." - Footnote
- Vgl. unter: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/magazin/?em_cnt=1277915.
- Theme
- Internet
- Object
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