Document (#26505)

Editor
Bertelsmann-Stiftung
Title
Was kommt nach der Informationsgesellschaft? : 11 Antworten
Issue
2. Aufl.
Imprint
Gütersloh : Bertelsmann-Stiftung
Year
2002
Pages
305 S
Series
Edition Reformwerkstatt
Footnote
Rez. in: BuB 55(2003) H.4, S.264-265 (H.-D. Kübler): "Noch ist die "Informationsgesellschaft", nicht hinlänglich etabliert, erst recht nicht weltweit, noch streiten sich viele um ihre validen Charakteristika und registrierbaren Indikatoren, noch dürften viele Zeitgenossen mit dem Begriff und vor allem mit seinen konkreten Realia wenig anfangen und in ihrem Bewusstein zumal angesichts vieler vorderhand drängenderen Probleme des Alltags verankert habenda fragt die rührige Bertelsmann Stiftung in diesem (ansprechend gestalteten) Sammelband (schon in zweiter Auflage) internationale Experten danach, was ihres Erachtens oder nach ihrer Fantasie danach kommen wird: die Wissensgesellschaft, die selbstorganisierende Gesellschaft, die Hightouch- (statt Hightech)Society oder einfach mannigfaltige, immer weniger prognostizierbare Formationen und Zukünfte. Denn mindestens in zwei Pole lassen sich die elf, wohl willkürlich gewählten Autoren aus diversen Disziplinen - darunter auch notorische Propheten wie der umtriebige (Seite 46) Trendscout Matthias Horx, der Essener Medienguru Norbert Bolz und der Computer-Visionär John Naisbitt- aufteilen. - Durchwurstelei statt Nachhaltigkeit - Da sind zunächst die einen, die meinen, und just in diesen Aufsätzen meist mit vielen, sich auch widersprechenden Worten begründen, dass und warum Zukunftsprognosen, die über simple und damit irreführende Extrapolationen der Gegenwart hinausreichen wollen, kaum mehr oder gar immer weniger möglich sind. So fragt sich der Kommunikationswissenschaftler Holger Rust zunächst, in welcher Gesellschaft wir leben, zumal für ihn nicht einmal eindeutig ist, wann die Informationsgesellschaft beginnt: War's mit dem Buchdruck oder 1901 mit der Erfindung des Telegrafen oder 1956 mit der Gründung des Shockley Semiconductor Laboratory oder erst mit dem World Wide Web? Genüsslich verweist er auf die kürzlich (2000) erschienene Recherche (»In welcher Gesellschaft leben wir?«) des Münchner Journalisten Achim Pongs, der allein schon für die Bundesrepublik 24 einschlägige Etiketten ausmachte, und schlägt unter den Vorzeichen des wachsenden Naming die sperrige, aber wohl alle ironisch einvernehmende Kompromissformel »informationstechnologiebasierte Wissensdienstleistergesellschaft mit industriellem Kern« (Seite 66) vor. Da fehlt wohl nichts mehr von den wohlfeilen Attributen. Zuvor schon plädieren Eckhard Minx, Leiter der Forschungsgruppe »Gesellschaft und Technik« bei DaimlerChrysler, und seine Mitarbeiter mit nüchternem, aber kritischem Gespür dafür, die vielen eher technisch und ökonomisch formierten »Denkblockaden« weg zu räumen und mehr Utopien in »diskursiven Prozessen« zu entwickeln. Denn nur so ließe sich mit der »Zwickmühle« umgehen, in der wir stecken: »Auf der einen Seite wird der Druck, Aussagen über die Zukunft zu treffen, immer größer, auf der anderen Seite sind verlässliche Vorhersagen meist nicht möglich« (Seite 30).
Auch die Zukunftsforscher Klaus Burmeister, Andreas Neef und Beate Schulz-Montag versprechen sich von einer »gut entwickelten Diskurskultur« (Seite 116) »kreative Verknüpfungen«, Impulse und auch mehr Verantwortungsbereitschaft in einer generell nicht voraussagbaren, weil überaus widersprüchlichen und risikobehafteten »Crossover Socitey«. Selbst Norbert Bolz kann entgegen seinen früheren gewissen Visionen, »nüchtern betrachtet [...], nichts über die Zukunft sagen, sondern allenfalls etwas über ihre Möglichkeiten- und die Grenzen ihrer Andersartigkeit«. Denn »je mehr das Wissen die Zukunft prägt, desto weniger kann man von der Zukunft wissen« (Seite 210). Gleichwohl nimmt er »nach einem halben Jahrhundert [...] wieder Abschied« von der »Informationsgesellschaft«, und irgendwie im Fortgang seines »Blindfluges ins 21. Jahrhundert« werden ihm seine schon vielfach publizierten Vokabeln wieder gewiss (wie schon jenes Zitat ahnen lässt): »Weltkommunikation« ist eine, bei der man den Raum preisgibt, »um die Zeit zu binden« (Seite 201), oder »Wissensgesellschaft«, weil jetzt Wirtschaft und Bildung konvergiere und die »Produktivität der geistigen Arbeit entdeckt« werde, oder - nun endgültig - das Ende jeder großen Theorie, weil sie der »Inbegriff aller Versuche [ist], der Praxis zu entfliehen« (Seite 216). Nun also vernimmt der Zuhörer aus eitlem wissenschaftlichem Munde: »Kehrtmarsch!«, denn angestimmt wird jetzt das forsche Lied des »Sichdurchwurstelns«, weil eine solche Politik viel erfolgreicher ist »als die Strategie der Nachhaltigkeit und Antizipation« (Seite 214). Ob sich damit auch der visionär und strategisch operierende Think Tank Bertelsmann Stiftung angesprochen fühlt? - Welt als Text - Ungeachtet solcher Bedenken und Warnungen, entwirft die andere Gruppe nach wie vor ihre Zukunftsvisionen undwohlfeilen Etiketten für die nunmehr Nach-Informationsgesellschaft: Gemein ist ihnen fast allen die Abkehr von vorwiegend technischen und ökonomisch bestimmten Formationen, wozu sie die Informationsgesellschaft fast einhellig und erstaunlicherweise zählen; dies auch den hier noch unbelehrbaren Protagonisten ins Stammbuch geschrieben! Denn die Technik integriere sich mit Gen-, Nanound sonstigen Soft-Technologies in die alltäglichen Systeme oder gar in die menschlichen Organe, was selten als problematisch erachtet wird; das »Reich der Notwendigkeiten« und Zwänge eskamotiere. In den Mittelpunkt rücke (wieder) das Individuum, das Humane schlechthin, mindestens die Fähigkeiten der Selbstorganisation, Selbstbestimmung, der Dezentralisierung und weitgehenden Freiheiten. Ideelle Kräfte und Werte werden demnach vorrangig, »Nachhaltigkeit« - so lässt sich Computer-Guru John Naisbitt im Gegensatz zu Norbert Bolz vernehmen - »ist die Zukunft« (Seite 233), aber dafür bedarf es für ihn der Informationstechnologien. Der dänische Autor Rolf Jensen wähnt wie in seinem Buch (1999) die »Dream Society« heraufziehen, weil die Menschen für ihre emotionalen Bedürfnisse gute Geschichten brauchen, selbst wenn sie nur den Waren als Marketingzusatz beigegeben sind - als Gebrauchswertversprechen, wie man das früher nannte. Das Science-Fiction- und Zukunftsforscher-Ehepaar Angela und Karlheinz Steinmüller argumentiert sich in einem sokratischen Dialog in eine eher wunderliche Epoche von Erzählungen und Mythen hinein, und Steve Talbott, Herausgeber der elektronischen Zeitschrift »NetFuture«, verwirft ebenfalls den Informationsgriff und postuliert als lebenswerte Kategorien hingegen Sinn und Bedeutung: Auch Naturwissenschaftler und Okonomen müssten »die Welt« als einen »sinnvollen Text« begreifen und nicht länger mehr als »informationelles System«.
- Zukünftegestalten - So scheint der Informationsbegriff und mit ihm die Informationsgesellschaft schon mächtig dekonstruiert - oder soll man schon sagen: denunziert? -, ob auf seriösem, realistischem Fundament oder in reichlich spekulativen, idealistischen Höhen, scheint dahingestellt. Das Unbehagen ob ihrer Unschärfe und ihrer semantischen Implikationen seit ihren nachrichtentechnischen Anfängen schwärt ja schon lange - und wurde auch in dieser Zeitschrift diskutiert. Aber so recht etwas Neues und Treffenderes zur Beschreibung des zweifellos stattfindenden Strukturwandels ist (noch) nicht zur Hand, mindestens nicht hinlänglich akzeptiert. Und immerfort mit dem Präfix »Post-« zu operieren, befriedigt auf Dauerebensowenig. So kann sich der Autor des Vorworts, Michael Kühlen, ebenfalls nur für den Plural, für »Zukünfte«, aussprechen, weil dadurch die »Gestaltbarkeit des Kommenden in den Mittelpunkt« gestellt und die »Autonomie des Menschen« betont werden (Seite 14). Aber ist solche Rede nicht wieder maßlos optimistisch und damit unrealistisch - solange solche Ziele und Werte nur beschworen, aber nicht in ihrem realen Wettstreit mit den weniger (oder zumindest nicht von vielen) beeinflussbaren Kräften austariert werden? Solche im guten Sinne pragmatische (und auch einigermaßen taxierbare) Szenarios findet man zu wenige in diesen elf Zukunftsskizzen."
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  1. Feibel, T.: ¬Die Internet-Generation : Wie wir von unseren Computern gefressen werden (2001) 0.51
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  2. Burkhardt, F.W.: Quo vadis, Informationsgesellschaft? (1995) 0.51
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  3. Kuhlen, R.: Universal Access : Wem gehört Wissen? (2002) 0.50
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